Digitalisierungsrisiko & Änderungsmanagement

Anil Jogani

Anil Jogani

Strategieberater im Bereich GRC

Die Digitalisierung von Unternehmen ist der ausschlaggebende Faktor, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Allerdings birgt die Transformation Ihres Unternehmens auch Risiken.

Weiterentwickeln oder sterben

Digitalisierung ist ein relativ neues Schlagwort, das von Analysten wie Gartner beworben wird. Es bezieht sich im Wesentlichen auf den Prozess des Übergangs von einem traditionellen Geschäftsmodell zu einem digitalen Modell. Im Kern geht es bei der Digitalisierung um den Einsatz "digitaler" Technologien, um das Geschäftsmodell zu transformieren, was—wenn es zum ersten Mal erfolgt— durchaus Disruptionen im Markt bewirken kann. (Denken Sie hier beispielsweise an Unternehmen wie Uber, Skype und Airbnb.)

Diese disruptiven Veränderungen bedeuten in der Regel, dass diejenigen, die sich langsamer umstellen, letztendlich ihre Tore schließen, während sich andere ein Wettrennen liefern oder Mühe haben, sich anzupassen. Wenn neue Unternehmen auftauchen (oder wenn sich alte Unternehmen weiterentwickeln) und eine Branche disruptiv verändern, ist mitzuhalten buchstäblich eine Frage des Überlebens.

Als Folge der Digitalisierung mussten viele stationäre Geschäfte schließen (erinnern Sie sich noch an Blockbuster, die Franchisekette für den Verleih und Verkauf von DVDs?), während andere, um überleben zu können, gezwungen sind zu digitalisieren. Im Fall der Videotheken traten neue Akteure wie Netflix auf den Plan, eroberten Marktanteile und etablierten sich rasch.

Wie also bleiben Unternehmen im Zeitalter fortschrittlicher Technologien wie Cloud Computing, KI und Blockchain, die die Digitalisierung schneller, zugänglicher und aggressiver machen, agil? Und wie gehen sie mit den Risiken um, die diese Veränderungen und neuen Technologien mit sich bringen?

“87 % der Unternehmen sind der Auffassung, dass die digitale Transformation eine Wettbewerbschance ist, während ein weiteres Drittel glaubt, dass sie eine Frage des Überlebens ist.” —Capgemini

In immer mehr Branchen tauchen Disruptoren & neue Risiken auf

Es gibt lediglich eine Handvoll couragierter Disruptoren, die die Digitalisierung in ihrer Branche anschieben. In den meisten Fällen vollzieht sich eine echte Transformation erst dann, wenn Unternehmen gezwungen sind, auf diese couragierten, das Umfeld verändernden Disruptoren zu reagieren und ebenfalls zu digitalisieren. Nicht nachzuziehen würde für sie einer Verdrängung vom Markt gleichkommen.

Wir beobachten diese Entwicklung in Branchen wie dem Bankwesen, dem Einzelhandel und in den Büros von Unternehmen überall auf der Welt.

  • Online-Banking

    Online-Banken wie Revolut, Monzo und Starling, die keine stationären Niederlassungen haben, schießen aus dem Boden und verändern das Bankwesen wie wir es bisher kannten. Verbraucher müssen nicht mehr aus dem Haus gehen, um ein Bankkonto zu eröffnen, einen Scheck einzulösen, Rechnungen zu bezahlen oder einen Kredit oder eine Hypothek aufzunehmen - all das kann über ihre mobilen Geräte erledigt werden. Das Versprechen von Bequemlichkeit, einfacher Bedienbarkeit und niedrigen Kosten bedeutet, dass Geld immer digitaler wird. Die Anzahl der digitalen Finanztransaktionen nimmt ständig zu. Laut Payments Cards & Mobile wurden vor 15 Jahren mehr als die Hälfte aller Bankgeschäfte innerhalb des Filialnetzes abgewickelt. Heute sind es weniger als 10 %.

    Risiken: Diese Veränderung macht Banken anfällig für eine Reihe neu entstehender, zunehmender Risiken wie Datensicherheit oder Datenschutzverletzungen, Cyberkriminalität, Third Party Risk. Sie werden außerdem mit der Notwendigkeit konfrontiert, mit neuen Technologien und Plattformen Schritt halten zu müssen.

  • Cloudbasierte Lager

    Online-Händler halten Waren nicht mehr in Lagern vor. “Drop shipping” und das Streckengeschäft sind mittlerweile gang und gäbe. Man kauft heutzutage von zuhause aus ein, und die Produkte werden von einem Unternehmen geliefert, das diese Produkte weder produziert noch auf Lager hat. Wir sind im Zeitalter der Marktplatzplattformen und des Aggregators angekommen. Und damit im Zeitalter der “Logistik".

    Risiken: Der Lieferantenrisiko nimmt zu, da Unternehmen ihre Lieferkette um weitere Schritte ergänzen. Es wird immer schwieriger, bei jedem einzelnen Schritt, bei jedem Anbieter und jeder Vorschrift den Überblick zu behalten.

  • Digitale Produkte & Lieferung

    Unternehmen wandeln eine ständig wachsende Zahl von Produkten in digitale Angebote um und liefern sie dann online aus (z.B. Bücher und Filme). Blockbuster ist ein Paradebeispiel für ein Unternehmen, das sich nicht an die digitale Transformation angepasst hat. Anfang der 2000er Jahre unterbreitete der CEO und Mitbegründer von Netflix, Reed Hastings, Blockbuster ein Angebot: Übernahme des damaligen DVD-Versandverleihs für 50 Millionen US-Dollar. Blockbuster lehnte das Angebot ab. 2010 meldete Blockbuster Insolvenz an. Der Wert des Unternehmens war von 5 Mrd. US-Dollar auf gerade einmal 24 Millionen US-Dollar abgestürzt. Der Wert von Netflix hingegen lag zu diesem Zeitpunkt bei 13 Mrd. US-Dollar. Blockbuster verlor sein Imperium aufgrund mangelnder Bereitschaft zur Digitalisierung.

    Risiken: Risikovermeidung ist ebenfalls ein Risiko. Unternehmen müssen eine Strategie für die Zukunft entwickeln. Sie müssen kalkuliert an neue Technologien und Trends herangehen und dürfen Veränderungen nicht aktiv aus dem Weg gehen.

  • Mitarbeiter an externen Arbeitsplätzen

    Kommunikationsplattformen wie Webex, GoToMeeting und Zoom haben Meetings “digitalisiert”, was bedeutet, dass Mitarbeiter nunmehr nur noch in geringerem Maße persönlich im Büro anwesend sein müssen. Das wiederum hat eine Reduzierung der Reisetätigkeit bewirkt und den Trend zu Mitarbeitern an externen Arbeitsplätzen verstärkt. In den vergangenen Jahren hat sich der Anteil der Arbeit von externen Arbeitsplätzen aus um 91 % erhöht. Diese disruptive Veränderung hat zu einer höheren Produktivität der Mitarbeiter, einer höheren Mitarbeiterbindung, weniger Krankentagen und geringeren Kosten für den Arbeitgeber und den Mitarbeiter geführt.

    Risiken: Viele Mitarbeiter an externen Arbeitsplätzen finden es schwierig, in ihrer Freizeit “abzuschalten”, sie fühlen sich oft einsam und empfinden es als schwieriger, mit Kollegen zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Dies kann zu einer erhöhten Mitarbeiterfluktuation führen und der Unternehmenskultur schaden.

“Die Vorteile der Digitalisierung sind enorm, aber auch die Risiken sind immens. … schon eine kleine Sicherheitslücke kann zu großen Verlusten und zum Kollaps des Unternehmens führen.”

Die Digitalisierung von Unternehmen geht mit neuen und sich abzeichnenden Risiken einher, die Sie erfolgreich meistern müssen.

Je mehr Dinge sich verändern, desto mehr bleiben sie eben nicht gleich

Schon Heraklit sagte, dass die "einzige Konstante im Universum die Veränderung ist", und die Digitalisierung sorgt dafür, dass sich Veränderungen in einem erstaunlichen Tempo vollziehen. Wir müssen diese Veränderungen ganzheitlich betrachten und erkennen und akzeptieren, dass wir es insgesamt mit einem sich schnell entwickelnden Umfeld zu tun haben. Mit dem Wandel und der fortschreitenden Entwicklung tauchen neue Risiken auf, die fast jede Branche betreffen.

  1. Konkurrenten, die aus dem Nichts auftauchen. Die Eintrittsbarrieren wurden drastisch gesenkt. Mit Hilfe von Shopify oder Squarespace kann jeder, ohne Vorkenntnisse im Bereich Entwicklung von Websites, Onlineshops erstellen. Und mit immer mehr digitalen Produkten sind Infrastrukturanforderungen nicht mehr die Voraussetzung dafür, im großen Stil oder gar global zu agieren. Der Wettbewerb wird einfach immer härter.
  2. Leichter zugängliche Informationen. Das Modell der “Vollkommenen Konkurrenz” basiert auf der Annahme, dass eine große Anzahl von Unternehmen identische Produkte/Güter produziert, die von einer großen Gruppe von Käufern konsumiert werden. Es geht außerdem von der Annahme aus, dass es für neue Unternehmen einfach ist, in den Markt einzutreten sowie dass bestehende Unternehmen ihn auch einfach verlassen können. Eine weitere Annahme ist, dass Käufer und Verkäufer über vollständige Informationen über die Marktbedingungen verfügen. Was hat das mit der Digitalisierung zu tun? Heute kann jeder ganz einfach und schnell Preise und Produkte online vergleichen. Das bedeutet, dass viele Kunden viel besser informiert sind als je zuvor, und dass sie immer die besten Angebote finden werden. Es gibt sogar Apps wie Yuka, mit denen Verbraucher sofort und in Echtzeit Daten darüber abrufen können, welche Produkte besser für ihre Gesundheit sind. Markentreue ist heute schwieriger zu erreichen und aufrechtzuerhalten.
  3. Höhere Erwartungen der Verbraucher. Die Erwartungen der Verbraucher sind extrem hoch, vor allem weil wir aufgrund anderer digitaler Interaktionen darauf gepolt sind, sofortige, maßgeschneiderte und nahtlose Erlebnisse zu verlangen. Verbraucher fordern sofortige Antworten in sozialen Medien, kostenlose Lieferungen, personalisierte Werbung, kostenloses WLAN und schnellen, erstklassigen Kundendienst. Diese gestiegenen Erwartungen können dazu führen, dass Unternehmen überstürzt Produkte oder Funktionen auf den Markt bringen, die die Marktreife noch nicht ganz erreicht haben, nur um wettbewerbsfähig zu bleiben. Folglich besteht die einzige Möglichkeit, sich zu differenzieren, in der Servicequalität. Lässt diese zu wünschen übrig, dann wandern die Kunden ab.
  4. Verpasste oder falsche Chancen. Die Tatsache, dass alle Unternehmen in Richtung Digitalisierung drängen und neue Technologien einführen, birgt enorme Risiken. Viele Unternehmen prüfen nicht kritisch, ob die neue Technologie für sie von Relevanz und ausgereift genug ist, um sie zu implementieren. Technologie ist ein zweischneidiges Schwert. Wenn ein Unternehmen beispielsweise nicht über die Ressourcen und eine Strategie für den Aufbau einer erstklassigen E-Commerce-Website—einschließlich Chat-Funktion, Kundensupport 24/7 und für jedes Gerät in der Welt optimiert—verfügt, könnte es langsam Kunden an andere technisch ausgereiftere Websites verlieren … oder gar von einem Konkurrenten aufgekauft werden.
  5. Datendiebstahl Genau wie die Zahl der Wettbewerber, der Informationsmenge, der Erwartungen und der Chancen erhöht sich auch die Gefahr des Datendiebstahls immer mehr. Die Sicherheit der Daten ist in der Tat eine der größten Herausforderungen für Unternehmen und Verbraucher.

Die Vorteile, aber auch die Risiken der Digitalisierung sind enorm. Auch wenn neue Technologien wie Blockchain das Vertrauensklima verbessern, kann schon ein kleiner Ausrutscher bei der Sicherheit zu großen Verlusten und zum Kollaps des Unternehmens führen.

Die Lösung für eine erfolgreiche Digitalisierung von Unternehmen

Der erste Schritt besteht darin, die Denkweise und Haltung Ihrer Mitarbeiter zu steuern. Danach sollten Sie die Herangehensweise Ihres Unternehmens an Veränderungen auf den Prüfstand stellen. Stellen Sie die folgenden Fragen:

  • Wie sieht unser Business Case für die Digitalisierung aus?
  • Welche Ziele verfolgen wir, und wie sind sie mit den allgemeinen Unternehmenszielen verknüpft?
  • Verfügen wir über die Ressourcen und haben wir den nötigen Reifegrad, um das Vorhaben durchzuziehen? Wenn das nicht der Fall ist, wie können wir dieses Thema angehen?
  • Mit welchen Risiken haben wir es zu tun?
  • Wie messen wir den Erfolg?

Das ist natürlich keine vollständige Liste, aber immerhin ein Anfang. Nachdem Sie all diese Fragen beantwortet und ihre grundlegende Strategie festgelegt haben, sind Sie bereit, Veränderungen umzusetzen und sich für Veränderungen einzusetzen.

Digitalisierung von Unternehmen und Änderungsmanagement

Es folgen sechs Möglichkeiten, wie Sie Ihren Mitarbeitern helfen können, ein "digitales Mindset", d.h. eine offene und neugierige Grundhaltung gegenüber neuen Technologien, zu entwickeln und Veränderungen effektiv zu steuern:

  1. Schulen Sie Ihre Mitarbeiter und kommunizieren Sie häufig Ihre Strategie und Ihre Änderungsvorhaben.
  2. Etablieren Sie im Unternehmen eine zuverlässige Zweiwege-Kommunikation, um den Informationsfluss in beide Richtungen, Top-down und Bottom-up, zu optimieren.
  3. Veranlassen Sie, dass häufig auf externe Quellen zugegriffen wird, um Frühwarnsignale für Bedrohungen und Chancen zu identifizieren.
  4. Erstellen Sie im Unternehmen eine formelle Marktanalysefunktion—vorzugsweise mit Verbindungen zu Analysten und Think Tanks—um Trends und Prognosen zu beobachten und zu identifizieren.
  5. Implementieren Sie eine robuste, automatisierte Risikomanagementtechnologie.
  6. Integrieren Sie regelmäßig zukunftsgerichtete Unternehmensrisikobewertungen in Ihre Geschäftsplanung.

Um es mit den Worten von Elon Musk zu sagen: “Es gibt Menschen, die mögen keine Veränderungen, aber man muss Veränderungen gegenüber aufgeschlossen sein, wenn die Alternative eine Katastrophe ist.”

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